Artikel A-O

Artikel A – Verpflichtungen

  1. Vorbehaltlich des Artikels B verpflichtet sich jede der Vertragsparteien:
    1. Teil I als eine Erklärung der Ziele anzusehen, die sie entsprechend dem einleitenden Satz jenes Teils mit allen geeigneten Mitteln verfolgen wird,
    2. mindestens sechs der folgenden neun Artikel des Teils II als für sich bindend anzusehen: Artikel 1, 5, 6, 7, 12, 13, 16, 19 und 20,
    3. zusätzlich so viele Artikel oder Nummern des Teils II auszuwählen und als für sich bindend anzusehen, daß die Gesamtzahl der Artikel oder Nummern, durch die sie gebunden ist, mindestens sechzehn Artikel oder dreiundsechzig Nummern beträgt.
  2. Die nach Maßgabe des Absatzes 1 Buchstaben b und c ausgewählten Artikel oder Nummern sind dem Generalsekretär des Europarats gleichzeitig mit der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zu notifizieren.
  3. Jede Vertragspartei kann zu einem späteren Zeitpunkt durch eine an den Generalsekretär zu richtende Notifikation erklären, daß sie in Teil II einen anderen Artikel oder eine andere Nummer als für sich bindend ansieht, den sie bisher noch nicht nach Absatz 1 angenommen hat. Diese später übernommenen Verpflichtungen gelten als Bestandteil der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung und haben vom ersten Tag des Monats an, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach dem Zeitpunkt der Notifikation folgt, die gleiche Wirkung.
  4. Jede Vertragspartei hat ein den innerstaatlichen Verhältnissen entsprechendes System der Arbeitsaufsicht zu unterhalten.

Artikel B – Verbindung mit der Europäischen Sozialcharta und dem Zusatzprotokoll von 1988

  1. Eine Vertragspartei der Europäischen Sozialcharta oder des Zusatzprotokolls vom 5. Mai 1988 kann diese Charta nicht ratifizieren, annehmen oder genehmigen, ohne sich mindestens durch die den Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta und gegebenenfalls des Zusatzprotokolls entsprechenden Bestimmungen, durch die sie gebunden war, als gebunden zu betrachten.
  2. Die Annahme der Verpflichtungen aus einer Bestimmung dieser Charta bewirkt, daß mit Inkrafttreten dieser Verpflichtungen für die betreffende Vertragspartei die entsprechende Bestimmung der Europäischen Sozialcharta und gegebenenfalls des Zusatzprotokolls von 1988 nicht länger auf die betreffende Vertragspartei Anwendung findet, sofern diese Vertragspartei durch die erstgenannte Übereinkunft oder durch beide Übereinkünfte gebunden ist.

Artikel C – Überwachung der Erfüllung der in dieser Charta enthaltenen Verpflichtungen

Die Erfüllung der in dieser Charta enthaltenen rechtlichen Verpflichtungen unterliegt der gleichen Überwachung wie die Europäische Sozialcharta.

Artikel D – Kollektivbeschwerden

  1. Das Zusatzprotokoll zur Europäischen Sozialcharta über Kollektivbeschwerden findet für die Staaten, die es ratifiziert haben, auf die nach dieser Charta eingegangenen Verpflichtungen Anwendung.
  2. Jeder Staat, der nicht durch das Zusatzprotokoll zur Europäischen Sozialcharta über Kollektivbeschwerden gebunden ist, kann bei Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zu dieser Charta oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats zu richtende Notifikation erklären, daß er der Überwachung seiner Verpflichtungen aus der Charta entsprechend dem in dem genannten Protokoll vorgesehenen Verfahren zustimmt.

Artikel E – Diskriminierungsverbot

Der Genuß der in dieser Charta festgelegten Rechte muß ohne Unterscheidung insbesondere nach der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Gesundheit, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, der Geburt oder dem sonstigen Status gewährleistet sein.

Artikel F – Notstandsklausel

  1. In Kriegszeiten oder bei einem anderen öffentlichen Notstand, der das Leben der Nation bedroht, kann jede Vertragspartei Maßnahmen treffen, die von ihren Verpflichtungen aus dieser Charta abweichen, soweit es aufgrund der Lage unbedingt erforderlich ist, vorausgesetzt, daß diese Maßnahmen nicht zu ihren anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen im Widerspruch stehen.
  2. Jede Vertragspartei, die von diesem Recht auf Abweichung Gebrauch gemacht hat, hält den Generalsekretär des Europarats innerhalb einer angemessenen Frist umfassend über die getroffenen Maßnahmen und die Gründe dafür auf dem laufenden. Sie unterrichtet den Generalsekretär auch von dem Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahmen aufgehoben wurden und die von ihr angenommenen Bestimmungen dieser Charta wieder in vollem Umfang angewandt werden.

Artikel G – Einschränkungen

  1. Die in Teil I niedergelegten Rechte und Grundsätze dürfen nach ihrer Verwirklichung ebenso wie ihre in Teil II vorgesehene wirksame Ausübung anderen als den in diesen Teilen vorgesehenen Einschränkungen oder Begrenzungen nur unterliegen, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Sicherheit des Staates, der Volksgesundheit und der Sittlichkeit notwendig sind.
  2. Von den nach dieser Charta zulässigen Einschränkungen der darin niedergelegten Rechte und Verpflichtungen darf nur zu dem vorgesehenen Zweck Gebrauch gemacht werden.

Artikel H – Verhältnis zwischen der Charta und dem innerstaatlichen Recht sowie internationalen Übereinkünften

Die Bestimmungen dieser Charta lassen geltende oder künftig in Kraft tretende Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts und zwei- oder mehrseitiger Übereinkünfte unberührt, die den geschützten Personen eine günstigere Behandlung einräumen.

Artikel I – Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen

  1. Die einschlägigen Bestimmungen des Teils II Artikel 1 bis 31 werden unbeschadet der in diesen Artikeln vorgesehenen Mittel zur Durchführung durchgeführt:
    1. durch Gesetze oder sonstige Vorschriften,
    2. durch Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberorganisationen und Arbeitnehmerorganisationen,
    3. durch eine Kombination dieser beiden Verfahren oder
    4. durch andere geeignete Mittel.
  2. Die Verpflichtungen aus Teil II Artikel 2 Nummern 1, 2, 3, 4, 5 und 7, Artikel 7 Nummern 4, 6 und 7, Artikel 10 Nummern 1, 2, 3 und 5 und Artikel 21 und 22 gelten als erfüllt, wenn diese Bestimmungen nach Absatz 1 dieses Artikels auf die überwiegende Mehrheit der betreffenden Arbeitnehmer Anwendung finden

Artikel J – Änderungen

  1. Jede Änderung der Teile I und II zur Erweiterung der durch diese Charta garantierten Rechte und jede von einer Vertragspartei oder dem Regierungsausschuß vorgeschlagene Änderung der Teile III bis VI wird dem Generalsekretär des Europarats mitgeteilt und vom Generalsekretär den Vertragsparteien übermittelt.
  2. Jede nach Absatz 1 vorgeschlagene Änderung wird vom Regierungsausschuß geprüft, der den beschlossenen Wortlaut nach Anhörung der Parlamentarischen Versammlung dem Ministerkomitee zur Genehmigung vorlegt. Nach Genehmigung durch das Ministerkomitee wird dieser Wortlaut den Vertragsparteien zur Annahme übermittelt.
  3. Jede Änderung der Teile I und II tritt für die Vertragsparteien, die die Änderung angenommen haben, am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach dem Tag folgt, an dem drei Vertragsparteien den Generalsekretär davon unterrichtet haben, daß sie die Änderung angenommen haben.
    Für jede Vertragspartei, die die Änderung später annimmt, tritt sie am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach dem Tag folgt, an dem die Vertragspartei den Generalsekretär von ihrer Annahme der Änderung unterrichtet hat.
  4. Jede Änderung der Teile III bis VI tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach dem Tag folgt, an dem alle Vertragsparteien den Generalsekretär davon unterrichtet haben, daß sie die Änderung angenommen haben.

Artikel K – Unterzeichnung, Ratifikation und Inkrafttreten

  1. Diese Charta liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung auf. Sie bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.
  2. Diese Charta tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach dem Tag folgt, an dem drei Mitgliedstaaten des Europarats nach Absatz 1 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch die Charta gebunden zu sein.
  3. Für jeden Mitgliedstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch diese Charta gebunden zu sein, tritt sie am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt.

Artikel L – Räumlicher Geltungsbereich

  1. Diese Charta gilt für das Mutterland jeder Vertragspartei. Jeder Unterzeichner kann bei der Unterzeichnung oder der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in einer an den Generalsekretär des Europarats gerichteten Erklärung das Hoheitsgebiet bezeichnen, das in diesem Sinne als Mutterland gilt.
  2. Jeder Unterzeichner kann bei der Unterzeichnung oder der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde oder zu einem späteren Zeitpunkt durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß diese Charta ganz oder teilweise auf jedes nicht zum Mutterland gehörende in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet anzuwenden ist, dessen internationale Beziehungen er wahrnimmt oder für das er international verantwortlich ist. In dieser Erklärung hat er die Artikel oder Nummern des Teils II anzugeben, die er für die in der Erklärung bezeichneten Hoheitsgebiete als bindend anerkennt.
  3. Diese Charta findet in jedem in der vorgenannten Erklärung bezeichneten Hoheitsgebiet vom ersten Tag des Monats an Anwendung, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach Eingang der Notifikation dieser Erklärung beim Generalsekretär folgt.
  4. Jede Vertragspartei kann zu einem späteren Zeitpunkt durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß sie für ein Hoheitsgebiet, auf das diese Charta nach Absatz 2 Anwendung findet, bestimmte Artikel oder Nummern als bindend annimmt, die sie für dieses Hoheitsgebiet noch nicht angenommen hat. Diese später eingegangenen Verpflichtungen gelten als Bestandteil der ursprünglichen Erklärung für das betreffende Hoheitsgebiet und haben vom ersten Tag des Monats an, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt, die gleiche Wirkung.

Artikel M – Kündigung

  1. Eine Vertragspartei kann diese Charta erst nach Ablauf von fünf Jahren, nachdem die Charta für sie in Kraft getreten ist, oder in der Folge jeweils nach Ablauf von zwei Jahren kündigen; in jedem Fall ist die Kündigung sechs Monate vorher dem Generalsekretär des Europarats zu notifizieren; dieser unterrichtet die anderen Vertragsparteien.
  2. Eine Vertragspartei kann nach Maßgabe des Absatzes 1 jeden von ihr angenommenen Artikel oder jede von ihr angenommene Nummer des Teils II kündigen, vorausgesetzt, daß die Zahl der für sie verbindlichen Artikel oder Nummern niemals unter 16 Artikel oder 63 Nummern absinkt und daß diese Zahl von Artikeln oder Nummern weiterhin die Artikel einschließt, welche die Vertragspartei aus den in Artikel A Absatz 1 Buchstabe b bezeichneten ausgewählt hat.
  3. Eine Vertragspartei kann diese Charta oder jeden Artikel beziehungsweise jede Nummer des Teils II unter den in Absatz 1 niedergelegten Voraussetzungen für jedes Hoheitsgebiet kündigen, in dem die Charta aufgrund einer Erklärung nach Artikel L Absatz 2 Anwendung findet.

Artikel N – Anhang

Der Anhang dieser Charta ist Bestandteil derselben.

Artikel O – Notifikationen

Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamts:

  1. jede Unterzeichnung;
  2. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde;
  3. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Charta nach Artikel K;
  4. jede Erklärung in Anwendung der Artikel A Absätze 2 und 3, Artikel D Absätze 1 und 2, Artikel F Absatz 2 und Artikel L Absätze 1, 2, 3 und 4;
  5. jede Änderung nach Artikel J;
  6. jede Kündigung nach Artikel M;
  7. jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit dieser Charta.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten diese revidierte Charta unterschrieben.
Geschehen zu Straßburg am 3. Mai 1996 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats und dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamts beglaubigte Abschriften.

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