05/2023 | Benachteiligung wegen Behinderung – Einladung zum Vorstellungsgespräch – Zugang des Einladungsschreibens – Beweislast

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01.07.2021, Az.: 8 AZR 297/20 sowie Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 07.01.2020, Az.: 5 Sa 95/19

Leitsatz im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01.07.2021, Az.: 8 AZR 297/20:

Der Umstand, dass eine schriftliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch der sich bewerbenden schwerbehinderten oder gleichgestellten Person nicht entsprechend § 130 BGB zugegangen ist, kann die Kausalitätsvermutung nach § 22 AGG nur dann begründen, wenn der Arbeitgeber nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang der Einladung zu bewirken.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01.07.2021, Az.: 8 AZR 297/20

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Leitsätze im Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 07.01.2020, Az.: 5 Sa 95/19:

  1. Die Verletzung der in § 165 Satz 3 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an einer Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht interessiert zu sein.
  2. Von einem Desinteresse des öffentlichen Arbeitgebers an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen ist nicht auszugehen, wenn der Arbeitgeber eine Einladung ordnungsgemäß auf den Weg gebracht hat. Das Gesetz sieht keine bestimmte Form der Einladung vor. Insbesondere ist der öffentliche Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Einladung förmlich zuzustellen.
  3. Der schwerbehinderte Bewerber hat nach § 22 AGG die Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Das gilt auch für die Behauptung, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Da es sich um den Beweis einer negativen Tatsache handelt, trifft den Prozessgegner in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Der Beweispflichtige genügt dann der ihm obliegenden Beweispflicht, wenn er die gegnerische Tatsachenbehauptung widerlegt oder ernsthaft in Frage stellt.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 07.01.2020, Az.: 5 Sa 95/19


Beitrag Johann Radlinger, 07/2020, aktualisiert 05/2023

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